Wien 1756 - 1811 Wien

Johann Baptist Drechsler gilt als Begründer der Wiener Schule der Blumenmalerei, die er mit seinen Gemälden zu einem ersten Höhepunkt führte. Es war vor allem sein Verdienst, das „klassische“ Blumenstück der Wiener Malerei des 19. Jahrhunderts auf der Basis der alten niederländischen Vorbilder, die man in den Wiener Sammlungen ausgiebig studieren konnte, geschaffen zu haben.

Zwischen 1772 und 1782 war Johann Baptist Drechsler zunächst ein ausnehmend verdienstvoller Lehrer an der Wiener Porzellanmanufaktur. Im Jahr 1787 wurde er zum ersten Professor der neu gegründeten Klasse für Blumenmalerei an der Manufakturzeichenschule der Wiener Akademie der bildenden Künste ernannt, zu deren Direktor er schließlich 1807 avancierte. Als ältester der Wiener Blumenmaler ist Drechsler am Beginn einer Entwicklung ohne Vergleich und hat darüber hinaus mit seiner Lehrtätigkeit jene Generation von Künstlern dieses Fachs ausgebildet, die das in Europa einmalige Phänomen der Wiener Blumenmalerei der Biedermeierzeit schufen. Er führte die Blumenmalerei weg von der dekorativen Art des Barock, hin zu einem detailreichen Naturalismus und nahm damit großen Einfluss auf die naturwissenschaftlichen Pflanzendarstellungen im 18. Jahrhundert.

Die hier abgebildeten Meisterwerke des Künstlers sind typisch für Johann Baptist Drechslers Schaffen: Einerseits handelt es sich bei den prächtigen Bouquets um kunstvolle Produkte der Phantasie, andererseits liegt den botanischen Details der Kompositionen eine Vielzahl von Naturstudien zugrunde. Hinsichtlich der Entstehungszeit beider Gemälde hält Gerbert Frodl in seinen Gutachten fest: „Das Arrangement und die Auswahl der Blumen in der Nische, die Farbkomposition, der raffinierte Einsatz des Hell-Dunkel reihen [die Arbeiten] bruchlos in die kurz nach 1800 entstandenen Werke des Meisters ein.“

Im Großen Blumenstück mit Kaiserkrone und Trauben ist das reiche Blumenbouquet in einer antikisierenden Vase arrangiert, die auf einem Sockel mit breiter Marmorplatte ruht. Im Zentrum der Komposition finden sich helle Blüten, während satte Rottöne zu den Rändern hin dominieren, kontrastierend zum dunklen Hintergrund. Ganz oben thront eine Kaiserkrone. Das Bouquet ist aus Blumen des Frühlings und Sommers wie Tulpen, Aurikel, Rosen, Schlafmohn, Lilien, Hibiskus, Fingerhut usw. zusammengestellt, die sich in den Gärten und Glashäusern Wiens fanden. Den Herbst repräsentiert die Weintraube. Dabei steht der dekorative Effekt der Komposition im Vordergrund und nicht, ob die Blumen zur selben Zeit oder am selben Ort blühen. Feine Details wie kleines Getier und Tautropfen betonen die besondere Kostbarkeit der Malerei.

Ähnliches gilt für das Große Blumenstück mit Trauben und Vogelnest. Auch hier entfaltet sich das reiche Blumenbouquet in seiner ganzen Pracht und technischen Meisterschaft in einer Vase, die in einer Mauernische steht. Im Zentrum der Komposition sind die helleren Blüten angeordnet, während dunklere Blüten wie Iris und Akanthusblätter im Hintergrund bleiben. Zuoberst erscheint ein lila Schlafmohn gemeinsam mit einer exotisch anmutenden roten Blüte. Eine rosa Levkoje leitet über zu den hellen, großen Blüten: einer gelben Aurikel, einer Pfingstrose, Rosen etc. Wie im oben beschriebenen Gemälde handelt es sich auch hier um Frühlings- und Sommerblumen aus den Gärten und Glashäusern Wiens, während der Herbst durch reife Früchte wie Weintrauben, einen Apfel und eine Birne vertreten wird. Das Vogelnest mit den Eiern – in früheren Zeiten ein Symbol der Vergänglichkeit, wie übrigens auch viele Blumen – erscheint nun als ein beliebtes dekoratives Element.

Mit Bildern wie den hier gezeigten wurde von Johann Baptist Drechsler eine Tradition aufgenommen, die ihren Ausgang ab etwa 1600 in der niederländischen Blumenmalerei nahm. Jedoch zeugen diese Arbeiten von seiner großen Meisterschaft, das Vorbild der Alten Meister nicht nachzuahmen, sondern vielmehr zu interpretieren. Das betrifft vor allem die delikate Farbkomposition und den virtuosen Einsatz des Lichts – ganz im Sinne des neuen Realismus.

 

Literatur:

Gerbert und Marianne Frodl: Die Blumenmalerei in Wien, Wien۰Kölln۰Weimar 2010 I Gerbert und Marianne Frodl: Ein Jahrhundert Wiener Blumenmalerei, in: Sag´s durch die Blume, Ausstellungskatalog der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien 2018 I Gutachen Dr. Gerbert Frodl, Wien 2019


Daffinger Moritz Michael
Darnaut Hugo
Drechsler Johann Baptist
Galerie Szaal, Schottenring 10, 1010 Wien

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